Die Jurte verbindet
Das Nomadenzelt (mong.: Ger, türk.: Yurt/Jurte) ist nicht nur der Mittelpunkt des Lebens einer nomadischen Familie, sondern sie ist selbst ein Mikrokosmos. Nicht zu unrecht heißt es daher im mongolischen Volksmund: „Die Jurte verbindet“. Und wer einmal mit Freunden, Bekannten und Kollegen sich in einer Jurte zusammen gefunden hat, um vielleicht auch mal das ein oder andere schwere Thema zu besprechen, der wird diese positive Eigenart der Jurte bestätigen. Die Jurte verbindet, sie schafft einen Raum, sie schirmt ab und, was auch gerade in unserer modernen westlichen Welt nicht unwichtig ist, sie ist Natur, sie führt uns zurück zu ihr, sie vermittelt uns lebendige Geschichte, ihr Raum ist zeitlos, sie lässt uns den Boden mehr fühlen, in dem sie uns erdet, sie vermittelt uns Ruhe und sie fordert auch unsere liebevolle Hingabe und Geduld zu ihr, wenn es um die Pflege und Bewahrung der Jurte geht. Wer diese Hingabe zur Jurte hat, für den wird sie viel ermöglichen, denn sie ist nicht nur wunderbar flexibel, zeitlos und anpassungsfähig, sondern auch sturmsicher und wetterfest.
Die kuppelförmige Decke symbolisiert den Himmel. Der Eingang der Jurte gilt als „vorne“ und ist daher stets Richtung Süden ausgerichtet. Die Stelle hinter der Feuerstelle wird Hoimor genannt. Dies ist die Nordseite („hinten“). Hier wird ein Tisch hingestellt, auf der das Totem (türk.: Ongun, mong,: Ongon) aufgestellt wird und Opfergaben für die Geister abgelegt werden. Der Sitzplatz daneben gilt als der bedeutendste Sitzplatz im Zelt. Hier nehmen Stammesälteste, Schamanen und andere ehrwürdige Gäste Platz.
- Rechts (Westen) ist die männliche Seite des Zeltes, hier nehmen nur Männer Platz. Waffen und andere männliche Gebrauchsgegenstände werden ebenfalls nur hier aufbewahrt.
- Links (Osten) ist die weibliche Seite. Hier nehmen Frauen Platz, auch weibliche Gebrauchsgegenstände, wie Küchengeräte oder Kinderbetten, befinden sich hier. Jugendliche halten sich in der Nähe der weiblichen Seite auf. Im zwanzigsten Jahrhundert scheint die Ausrichtung zwischen Osten und Westen aber an Bedeutung verloren zu haben. Heute sind viele Jurten spiegelverkehrt eingerichtet.
- Im Zentrum der Jurte befindet sich die Feuerstelle, der heiligste Punkt. Dies ist der Platz von Golomt, der Tochter Tenger. Man muss ihr Respekt erweisen. Die Jurte ist das Zentrum im Kosmos, und Gal Golomt, die Feuerstelle Golomtos, ist das Zentrum des Mikrokosmos. Die von der Feuerstelle aufsteigende Rauchsäule symbolisiert den Weltenbaum, die Rauchöffnung an der Decke den Eingang ins himmlische Reich. Die Traumreise der Schamanen beginnt meist durch diese Rauchöffnung. Entweder erklimmt der Schamane den Weltenbaum oder er fliegt in Gestalt eines Vogels aus dieser Rauchöffnung.
Der kleine, runde Sonnenstrahl, der durch die Rauchöffnung in die Jurte fällt, bewegt sich im Uhrzeigersinn. An ihr kann man die Uhrzeit ablesen. Auch die Bewohner der Jurte bewegen sich nur im Uhrzeigersinn durch die Jurte, um das Gleichgewicht nicht zu stören. Die Schamanen richten sich bei ihren Bewegungen während eines Rituals immer nach der Uhrzeigerrichtung.